Nach monatelangem Streit hat die Bundesregierung am Mittwoch den Entwurf für eine Kindergrundsicherung beschlossen. Nun kann das parlamentarische Verfahren beginnen, zudem muss der Bundesrat dem Gesetz zustimmen. Mit der Grundsicherung sollen nach dem Willen der Regierung ab 2025 Leistungen für Familien wie das Kindergeld, der Kinderzuschlag und weitere Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder zusammengefasst werden. Familien sollen sie digital beantragen können. Ein Garantiebetrag - das bisherige Kindergeld - soll nach den Plänen für alle Familien einkommensunabhängig gezahlt werden.
Bei dem Streit innerhalb der Ampel ging es vor allem um die Kosten. Bereits im April erteilte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) den von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) geforderten 12 Milliarden Euro eine Absage und nannte stattdessen zunächst 2 Milliarden. Für die Einführung einigte man sich auf 2,4 Milliarden Euro. (…) Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) bezeichnete die Kindergrundsicherung als "wirksames Sicherheitsnetz für alle Kinder und ihre Familien". Nach ihren Angaben werden etwa 5,6 Millionen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene den Zusatzbetrag in Anspruch nehmen können. Darunter seien Kinder aus Familien, die Bürgergeld bezögen, aber auch Familien mit einem geringen Erwerbseinkommen, die dann Betrag zusätzlich zum Einkommen erhielten. Sie betonte, dass das Gesetz stufenweise eingeführt werde und nicht sofort alle Familien erreicht würden.
Familien würden künftig zudem direkt vom Familienservice über mögliche Ansprüche informiert. Volljährige sollen demnach einen eigenen Auszahlungsanspruch für den Garantiebetrag erhalten.
Paus erklärte, dass das Bundesjustizministerium eine rechtliche Prüfung des Entwurfs im Oktober abschließen wolle. Die Erste Lesung im Bundestag sei für den 9. November vorgesehen.
Viel Kritik kam von verschiedenen Sozial- und Familienverbänden. Bereits im Vorfeld hatten sie bemängelt, dass die Bundesregierung mehr Geld für die Einführung in die Hand nehmen müsse, damit es zu spürbaren Entlastungen komme. Der derzeitige Entwurf benachteilige zudem Kinder aus geflüchteten Familien.
"Ich kann kaum fassen, wie wenig von der ursprünglichen Idee der Kindergrundsicherung übriggeblieben ist", sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele. Betroffenen Familien sei weniger Bürokratie und mehr Geld in Aussicht gestellt worden. "Die meisten von ihnen werden nichts davon bekommen, wenn der Bundestag jetzt nicht einschreitet", so Bentele.
Mehrere Organisationen kritisierten zudem eine Benachteiligung geflüchteter Familien. Kinder, die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes erhielten, würden im aktuellen Entwurf von vorneherein ausgeschlossen, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Zu den 23 Unterzeichnern zählen etwa das Deutsche Kinderhilfswerk, Save the Children, Pro Asyl und die Diakonie Deutschland.
Zurzeit leben laut Untersuchungen etwa 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland von staatlichen Leistungen zur Existenzsicherung, davon 1,6 Millionen trotz Erwerbstätigkeit der Eltern. Das betrifft rund jedes fünfte Kind. Laut Ministerium können mit der Kindergrundsicherung rund 1,9 Millionen Kinder aus der Armut geholt werden.
Der Freistaat Bayern kündigte bereits seinen Widerstand im Bundesrat an. (KNA)