Berlin/München, 17. April 2018 – Angesichts weiter drastisch steigender Mieten und Preise für Wohneigentum in Deutschland ruft der Familienbund der Katholiken die Politik zu einem entschlossenen Handeln auf. „Es gibt immer mehr Familien, die unter dem eklatanten Mangel an bezahlbarem Wohnraum leiden“, sagte Familienbund-Präsident Stefan Becker anlässlich der 129. Bundesdelegiertenversammlung des Verbandes vom 13. bis 15. April 2018 in München, bei der das Thema „Familie und Wohnen“ im Mittelpunkt stand. „Es muss mehr bezahlbaren Wohnraum für Familien geben“, sagte Becker. Die Delegierten verabschiedeten mit großer Mehrheit einen fünf Punkte umfassenden wohnungspolitischen Forderungskatalog, mit dem sie sich an die Politik – aber auch die Kirchen – wenden. Mehrere Spitzenpolitiker bezogen auf der Tagung zum Thema Stellung, darunter Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), die Präsidentin des Bayerischen Landtags, Barbara Stamm (CSU), der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesumweltministeriums, Florian Pronold (SPD) sowie die SPD-Landesvorsitzende Natascha Kohnen.
„Die Preise für das Wohnen haben in Deutschlands Metropolen und attraktiven Kleinstädten ein besorgniserregendes Ausmaß erreicht“, sagte Becker. „Verschärfend kommt hinzu: Eine Trendwende bei der Preis- und Kostenentwicklung ist derzeit von Experten nicht absehbar. Das hat fatale Folgen für Familien: Überlastung durch Mietkosten, beengte Wohnverhältnisse, Verdrängung in schwach entwickelte urbane Peripherien und längere Wegstrecken, die zu weniger Zeit der Familien für- und miteinander führen.“
Zu den zentralen wohnungspolitischen Forderungen des Familienbundes der Katholiken gehört die Einführung einer Bodenwertsteuer, um Bauanreize zu schaffen, die Steuerbelastung für Mieten und Eigenheime zu reduzieren und Spekulation einzudämmen. Der Verband schlägt zudem die Einführung einer gestaffelten Grunderwerbsteuer mit Kinderbonus vor. Außerdem müsse das in der vergangenen Legislaturperiode geplante zweite Mietrechtspaket schnellstmöglich verabschiedet und die Mietpreisbremse wirksam verschärft werden. „Künftig müssen bau- und wohnungspolitische Maßnahmen mehr Gewicht bekommen. Deshalb braucht Deutschland wieder ein eigenständiges Bundesministerium für Bauen und Wohnen“, sagte Becker.
Bayerns Staatsminister des Innern, Joachim Herrmann, betonte in seiner Rede, dass die Politik das Thema „Wohnen“ nicht dem freien Markt überlassen könne. „Eine angemessene und bezahlbare Wohnung zu haben, ist ein elementares Grundbedürfnis. Der Staat muss sich mehr engagieren.“ Herrmann erinnerte daran, dass Bayern im Rahmen seines 2015 verabschiedeten „Wohnungspaktes“ innerhalb von vier Jahren 28.000 staatlich geförderte Wohnungen schaffen wolle. Bayern fördere auch einen „experimentellen Wohnungsbau“, um kostengünstige und attraktive Formen des Bauens zu entwickeln. In den Modellvorhaben bilde der Bau von bezahlbarem Wohnraum für Familien einen Schwerpunkt. Auf Bundesebene müsse das Wohngeld, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, nach Ansicht Herrmanns regelmäßig angepasst werden, orientiert an der aktuellen Marktentwicklung.
Für die Landesvorsitzende der SPD in Bayern, Natascha Kohnen, ist das Wohnen „die soziale Frage des 21. Jahrhunderts“. Sie plädierte in ihrer Rede für einen starken Staat, der in die Daseinsvorsorge investiere. „Ich möchte eine Wohnraumoffensive Bayern. Die Landesmittel für sozialen Wohnungsbau befinden sich auf einem historischen Tiefstand.“ Nach Kohnens Worten sei auch ein eigenständiges Bauministerium notwendig, um das komplexe Wissen dieses Ressorts sinnvoll koordinieren zu können. Mit Blick auf das aktuelle Urteil des Bundesverfassungsgerichts plädierte Kohnen für eine grundlegende Reform der Grundsteuer: „Bayern muss sich stark machen für eine Bodenspekulationssteuer, die Bauland mobilisiert und Spekulation eindämmt. Darüber hinaus muss Bayern endlich als Staat Verantwortung übernehmen und durch eine staatliche Wohnbaugesellschaft mindestens 25.000 Sozialwohnungen in den nächsten fünf Jahren bauen, um der Wohnungskrise mit aller Kraft entgegen zu treten.“
Florian Pronold, Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit und in der zurückliegenden Legislaturperiode für Bau zuständig, forderte, den nicht-profitorientierten Wohnungsmarkt zu stärken. „Das ist eine staatliche Aufgabe“, sagte er. „Kommunen, die Bauland ausweisen, müssen Spekulation besteuern und auch das Mittel des Bauzwangs einsetzen.“ Er warb in seiner Rede für einen wohnungspolitischen Maßnahmenmix, bestehend aus sozialem Wohnungsbau, Baulandmobilisierung, der Förderung serieller Fertigungsverfahren für kostengünstigeres Bauen, mehr genossenschaftlichen Wohnmodellen und Anreize für private Wohnungsinvestoren. Auch eine „intelligente Nachverdichtung spart Kosten, zum Beispiel durch die Überbauung von Parkplätzen“. Mit Blick auf die zu erwartende Wohnungspolitik der großen Koalition sagte er: „Statt autogerechter Städte brauchen wir familiengerechte Städte. Dafür müssen wir die Rahmenbedingungen schaffen.“
„Familien bilden das Fundament unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts.“
Die Präsidentin des Bayerischen Landtags und langjährige Vizepräsidentin des Familienbundes der Katholiken, Barbara Stamm, sagte, „dass die Schaffung bezahlbaren Wohnraums in der Politik oberste Priorität hat. Hier muss schnell und nachhaltig gehandelt werden. Die Wohnungsnot ist in vielen Städten mittlerweile die soziale Frage unserer Zeit!“ Für das laufende Jahr stellte Stamm einen „Wohngipfels 2018“ in Aussicht. „Hier sollen im engen Kontakt zwischen den Ländern, den Kommunen, Vertretern der Bau- und Immobilienwirtschaft, der Mieter- und Vermieterverbände und der Gewerkschaften Eckpunkte eines Gesetzespaketes Wohnraumoffensive vereinbart werden.“
Sie wies darauf hin, dass der Koalitionsvertrag der großen Koalition ausdrücklich die Verantwortung von Bund und Ländern für den Sozialen Wohnungsbau betone. Stamm erinnerte auch an die Verantwortung der Kirchen, für angemessenes Wohnen von Familien zu sorgen. Abschließend sagte die Spitzenpolitikerin: „Ich danke dem Familienbund herzlich für sein Eintreten für unsere jungen Familien. Denn sie bilden das Fundament unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts. Sie sind die Basis eines funktionierenden Miteinanders und brauchen darum jede nur mögliche Unterstützung.“