20.02.2024

Stellungnahme zur Reform des Abstammungsrechts und des Kindschaftsrechts

Familienrecht
Stellungnahmen
Eine Babyhand hält einen Zeigefinger auf einer weißen Kuscheldecke.

Das Bundesministerium der Justiz hat im Januar 2024 Eckpunkte für eine Reform des Abstammungsrechts und des Kindschaftsrechts vorgelegt. Damit wird eine schon seit einigen Jahren geführte juristische Diskussion in konkrete Reformvorschläge überführt. Bereits in der letzten Legislaturperiode gab es einen sog. „Diskussionsteilentwurf“ des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zur Reform des Abstammungsrechts (12. März 2019), der allerdings nicht im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens weiterverfolgt wurde. Der Familienbund hat zu diesem Diskussionsteilentwurf Stellung genommen.[1] Die grundlegenden Überlegungen sollen hier noch einmal genannt werden (I.). Anschließend erfolgt eine Bewertung der einzelnen Reformvorschläge der Eckpunkte zum Abstammungsrecht (II.) und zum Kindschaftsrecht (III.). Für die endgültige Bewertung ist der angekündigte Gesetzentwurf abzuwarten.

Die Stellung gibt es hier zum Download.

 

I. Grundlegende Bemerkungen

Der Familienbund begrüßt das Verfahren, dass zunächst Eckpunkte vorgelegt werden und anschließend der Gesetzentwurf auf Grundlage der Diskussion der Eckpunkte erfolgen soll. Es ist wichtig, dass den Diskussionen zur Reform des Abstammungs- und Kindschaftsrechts ausreichend Zeit eingeräumt wird. Insbesondere die Reform des Abstammungsrechts wirft nicht nur schwierige rechtliche und rechtspolitische Fragestellungen auf; sie berührt auch kulturelle Anschauungen, Traditionen und gesellschaftliche Leitbilder.[1] Die Antwort auf die Fragen „Wer ist Mutter?“ und „Wer ist Vater?“ ist vom Gesetzgeber nicht beliebig gestaltbar.[2]  Es gibt aber Spielräume, z.B. was die der Zuordnung zugrundeliegenden Prinzipien, die Anwendung von Vermutungsregelungen oder die Gewichtung der biologischen und sozialen Elternschaft angeht.[3] Der Familienbund hält eine gewisse Verschiebung der Gewichtung bei den Zuordnungsprinzipien für angemessen und passend für das heutige Leben von Familien. Die an einigen Stellen der Eckpunkte vorzufindende Übersteigerung des Vertragsgedankens – insbesondere was die sog. Elternschaftsvereinbarung angeht – sieht er aber kritisch.

Ausdrücklich ausgeklammert waren in der bisherigen, überwiegend juristischen Diskussion Fragen der rechtlichen Zulässigkeit und ethisch-moralischen Bewertung der verschiedenen und sich ständig erweiternden Methoden der modernen Reproduktionsmedizin.[4] Das ist insofern nachvollziehbar, als das Abstammungsrecht auch dann im Sinne des Kindeswohles bestmögliche Lösungen finden muss, wenn von verbotenen oder ethisch zweifelhaften Reproduktionsmethoden – z.B. im Ausland – Gebrauch gemacht wird.[5] Mittels Reproduktionsmedizin geborene Kinder müssen unabhängig von den Umständen ihrer Entstehung bestmöglich unterstützt werden. Das Verbot einzelner Methoden der Fortpflanzungsmedizin darf nicht auf dem Rücken und zum Nachteil dieser Kinder durchgesetzt werden. Verantwortung tragen allein die Eltern.

Dennoch sollte die ethische Problematik einzelner Methoden der Fortpflanzungsmedizin – wie z.B. der Leihmutterschaft – im gesellschaftlichen Bewusstsein bleiben und auch gesehen werden, dass das Abstammungsrecht zur Reproduktionsmedizin notwendigerweise einen Standpunkt einnimmt – indem es dieser entweder eher fördernd oder eher einschränkend gegenübersteht. Es darf nicht verkannt werden, dass ein Recht, das den Grundsatz der Eltern-Kind-Zuordnung nach der biologischen Herkunft einschränkt und den Wunsch zur Elternschaft oder die vertragliche Vereinbarung als gleichberechtigte Zuordnungsprinzipien anerkennt, einen Systemwechsel hin zu einer grundsätzlichen Offenheit gegenüber der modernen Fortpflanzungsmedizin vornimmt, der aus Sicht des Familienbundes Risiken birgt. Auf der Grundlage eines solchen Systemwechsels erscheinen – über das in den Eckpunkten Vorgeschlagene hinaus – weitere abstammungsrechtliche Reformen zur Anerkennung fortpflanzungsmedizinischer Maßnahmen naheliegend. Über das von den Eckpunkten geplante Instrument der Elternschaftsvereinbarung ließen sich beispielsweise zukünftig Fälle der Leihmutterschaft umsetzen. Der Familienbund sieht hier Gefahren für das Wohl von Kindern und Müttern. Er schließt sich der Vorsitzenden des BMJV-Arbeitskreises Abstammungsrecht an, die 2017 in ihren persönlichen Leitlinien formuliert hat: „Recht hat […} nicht nur bloße Ordnungsfunktion, sondern muss auch Grenzen setzen, die von den in unserem Rechts- und Kulturkreis gewachsenen allgemeinen Grundsätzen von Ethik und Moral bestimmt werden. Hier gilt: Ein Kind ist keine Bestellware […] Leitgedanke muss dabei die Wahrung der Würde menschlichen Lebens und der Schutz der schwächeren Mitglieder der Gemeinschaft sein.“[6] Das spricht dafür, bei einer Reform des Abstammungsrechts behutsam vorzugehen. Änderungen sollten nur aufgrund einer konkret feststellbaren Problematik, nur im erforderlichen Maße und immer mit Blick auf das Kindeswohl vorgenommen werden. Die Eckpunkte erwecken an vielen Stellen den Eindruck, dass die Reformvorschläge vorwiegend aus der Perspektive der Erwachsenen mit Kinderwunsch entwickelt wurden.

Der Familienbund der Katholiken hält es im Ausgangspunkt für richtig, am Abstammungsprinzip festzuhalten, also am geltenden Grundprinzip, dass dem Kind die biologischen Eltern auch als rechtliche Eltern zugeordnet werden.[7] Er verweist darauf, dass der Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gehalten ist, „die Zuweisung der rechtlichen Elternposition an der Abstammung des Kindes auszurichten“[8]. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG enthält das „Gebot, möglichst eine Übereinstimmung von leiblicher und rechtlicher Elternschaft zu erreichen“[9]. Denn Eltern sind im Sinne des Grundgesetzes zunächst diejenigen Menschen, die einem Kind das Leben gegeben haben, da sie „von Natur aus grundsätzlich bereit und berufen sind, die Verantwortung für seine Pflege und Erziehung zu übernehmen“[10]. Von diesem Grundsatz können – wie das auch im geltenden Recht bereits der Fall ist  – klar begrenzte Ausnahmen zugelassen werden, die aber den Grundsatz als solchen und dessen Richtigkeit nicht in Frage stellen. Der Familienbund befürwortet eine moderate Fortentwicklung des geltenden Rechts.

Vor diesem Hintergrund hält der Familienbund die von den Eckpunkten vorgeschlagene Regelung einer Mit-Mutterschaft, also einer automatischen Zuordnung der (Ehe-)Partnerin der Geburtsmutter als zweiten Elternteil, für eine Ausnahme vom Abstammungsprinzip, die sich mit Blick auf das Kindeswohl grundsätzlich gut begründen lässt (siehe dazu II.1.). Die Einführung einer Elternschaftsvereinbarung, die eine vertragliche und den gesetzlichen Regelungen vorgehende Zuordnung der zweiten Elternstelle (Vater, Mit-Mutter) ermöglichen würde, hält der Familienbund jedoch nicht für geboten. Er ist der Auffassung, dass eine solche Elternschaftsvereinbarung nicht eingeführt werden sollte (siehe dazu II.6.).

Die Eckpunkte sind insoweit zu begrüßen, als sie am Zwei-Eltern-Prinzip festhalten. Es ist richtig, dass eine rechtliche Elternschaft von mehr als zwei Personen (Mehrelternschaft) nicht möglich sein soll. Der Familienbund vertritt – wie in der letzten Legislaturperiode das BMJV – die Auffassung, dass „die Probleme, die sich aus der Zuweisung des vollen Elternstatus an mehr als zwei Personen […] ergeben können, insbesondere im Konfliktfall [noch] erheblich verkompliziert würden“[11]. Auch der BMJV-Arbeitskreis Abstammungsrecht hat sich 2017 überzeugend gegen die rechtliche Elternschaft von mehr als zwei Eltern ausgesprochen und auf eine sonst drohende weitere Verkomplizierung im Sorge-, Namens-, Unterhalts-, Erb- und Staatsangehörigkeitsrecht hingewiesen.[12] Zudem wäre es unangemessen, Kinder abhängig von den Umständen ihrer Zeugung in rechtlicher Hinsicht unterschiedlich zu behandeln, indem die einen zwei und die anderen mehr als zwei rechtliche Eltern hätten (was je nach Fallkonstellation vorteilhaft oder nachteilig wäre).

Positiv hervorzuheben ist, dass die Eckpunkte keine gesetzliche Regelung der Leihmutterschaft enthalten und weiterhin an der eindeutigen Definition der Mutterschaft festhalten: „Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat“ (§ 1591 BGB).

 

II. Bewertung der einzelnen Reformvorschläge zum Abstammungsrecht

1.Mutterschaft einer weiteren Frau

Wenn ein Kind auf die Welt kommt, soll weiterhin die Frau, die das Kind geboren hat, rechtliche Mutter des Kindes sein (vgl. § 1591 BGB). Eine Neuerung soll es bei der Frage geben, wer zweiter Elternteil des Kindes wird. Bisher kann nach dem Abstammungsrecht nur ein Vater zweiter Elternteil sein. Zukünftig soll es auch möglich sein, dass dem Kind statt eines Vaters eine zweite Mutter zugeordnet wird. Weitere Mutter des Kindes soll die Frau sein, die im Zeitpunkt der Geburt mit der Geburtsmutter verheiratet ist. Wenn die Geburtsmutter nicht verheiratet ist, soll es ihrer Partnerin möglich sein, die Mutterschaft anzuerkennen. Der Familienbund hält den Reformvorschlag im Ergebnis für richtig. Im Folgenden wird dieser analysiert und bewertet.

Mit der geplanten Neuregelung wird eine Entsprechung zu folgender Regelung der Vaterschaft geschaffen:

§ 1592 BGB Vaterschaft

Vater eines Kindes ist der Mann,

1. der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist,

2. der die Vaterschaft anerkannt hat oder

3. dessen Vaterschaft […] gerichtlich festgestellt ist.

Die geplante neue Regelung könnte aufgrund der Eckpunkte wie folgt aussehen:[13]

(neuer) § 1592a BGB Mit-Mutterschaft

Mit-Mutter eines Kindes ist die Frau,

1. die zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist,

2. die die Mit-Mutterschaft anerkannt hat

3. [entfällt][14]

Es bleibt abzuwarten, ob der kommende Gesetzwurf wie in vergangenen Diskussionsentwürfen des Bundesjustizministeriums einen Begriff wie Mit-Mutter (oder Co-Mutter) verwenden wird, um diese begrifflich klar von der (Geburts-)Mutter zu unterscheiden. Diese begriffliche Unterscheidung wird in dieser Stellungnahme im Sinne der sprachlichen Präzisierung verwendet. Die terminologische und rechtstechnische Frage ändert jedoch nichts daran, dass die Mit-Mutter in den Familien als „Mutter“ bezeichnet werden wird. Rechts- und Alltagssprache können grundsätzlich auseinanderfallen.

Wendet man die Regelung der Vaterschaft auch auf Mit-Mütter an, liegt darin eine Einschränkung des bisher geltenden Abstammungsprinzips. Das Abstammungsprinzip bedeutet, dass die biologischen Eltern dem Kind in der Regel auch als rechtliche Eltern zugeordnet werden sollen. Dieser Gedanke liegt der o.g. Regelung zur Vaterschaft zugrunde: Ehe und Anerkennung sind Anhaltspunkte (sog. „Vermutungstatbestände“), aus denen sich eine Vermutung der biologischen Elternschaft ergibt. Der Grund der Zuordnung des Kindes zum Vater ist nicht die Ehe oder die Anerkennung selbst, sondern die (aufgrund der Ehe bzw. Anerkennung) vermutete biologische Abstammung, Da die Vermutung zwar statistisch in der überwiegenden Zahl der Fälle richtig ist, aber nicht richtig sein muss, gibt es für den biologischen Vater, der nicht als Elternteil zugeordnet wurde, die Möglichkeit, die Elternschaft eines anderen Mannes anzufechten und sich als Vater gerichtlich feststellen zu lassen (§ 1592 Nr. 3 BGB).

Bei einer Übertragung der Regelung der Vaterschaft auf die (Ehe-)Partnerin der Geburtsmutter wird das Kind dieser zugeordnet, obwohl es auch einen biologischen Vater gibt und die biologische Elternschaft der Mit-Mutter ausgeschlossen ist.[15] Zuordnungsgrund ist nicht mehr die vermutete biologische Abstammung, sondern die Ehe selbst bzw. der in der Anerkennung der (zweiten) Mutterschaft liegende Wille zur Elternschaft. Zudem kann man als Zuordnungsgrund auch die Vermutung sehen, dass die (Ehe-)Partnerin der Geburtsmutter gemeinsam mit dieser eine Samenspende veranlasst hat und dadurch mittelbar beteiligt an der Zeugung war.

Wegen dieser Veränderung des Zuordnungsgrundes hat die Rechtsprechung die Regelung zur Vaterschaft nicht bereits ohne Gesetzesänderung auf die (Ehe-)Partnerin der Geburtsmutter analog angewandt. Den Gerichten hatte sich die Frage gestellt, ob die analoge Anwendung zur Vermeidung einer Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare verfassungsrechtlich geboten sein könnte. Eine Diskriminierung – und damit einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Art. 3 Abs. 1 GG) – hat der Bundesgerichtshof aber nicht gesehen, da es in einer vom Abstammungsprinzip ausgehenden Regelung sachgerecht ist, die Möglichkeit biologischer Abstammung als Differenzierungskriterium heranzuziehen.[16] 

Der Gesetzgeber darf aber die Eltern-Kind-Zuordnung anders gestalten und neben dem Abstammungsprinzip den Aspekt der tatsächlichen Verantwortungsübernahme im Rahmen einer sozialen Familie stärker als bisher gewichten. Der Familienbund hält das in der Konstellation einer Ehe oder einer festen Partnerschaft zwischen zwei Frauen für gut begründbar – gerade auch mit Blick auf das Kindeswohl. Wenn eine Ehe vorliegt, spricht viel dafür, dass es für das Kind das Beste ist, wenn die Ehefrau der Mutter der zweite Elternteil wird. Denn die Ehe als auf Dauer angelegte, umfassende Lebens-, Rechts- und Wirtschaftsgemeinschaft schließt auch die gemeinsame Verantwortung für die von der Ehefrau geborenen Kinder ein. Das BVerfG hat bereits für die eingetragene Lebenspartnerschaft festgestellt, dass diese den Kindern das Aufwachsen in  „behüteten Verhältnissen“[17] ermögliche. Zudem enthält schon das geltende Recht im Rahmen der Anfechtungsregelungen den Gedanken, dass die gelebte soziale Familie Vorrang vor der biologischen Abstammung hat und nicht durch einen anfechtenden Dritten beeinträchtigt werden soll: So ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den biologischen Vater ausgeschlossen, wenn zwischen dem Kind und seinem durch Ehe oder Anerkennung zugeordneten rechtlichen Vater eine sozial-familiäre Beziehung besteht (§ 1600 Abs. 2 BGB).

Überzeugend erscheint die Gleichbehandlung von verschieden- und gleichgeschlechtlichen Paaren mit Blick auf die ärztlich unterstützte Samenspende (sog. „offizielle Samenspende“ unter Nutzung einer Samenbank). Hier ist die Situation von lesbischen und verschiedengeschlechtlichen Paaren identisch ist: Wenn ein verschiedengeschlechtliches Paar eine Samenspende in Anspruch nimmt, wird der (Ehe-)Partner der Mutter dem Kind als Vater zugeordnet, obwohl in diesem Fall ausgeschlossen ist, dass er mit dem Kind genetisch verwandt ist. Zudem ist in diesen Fällen faktisch und rechtlich ausgeschlossen, dass der Samenspender, der seinen Samen einer Samenbank zur Verfügung gestellt hat, die tatsächliche Verantwortung für das Kind übernehmen wird.

Weniger eindeutig sind die Fälle außerhalb der offiziellen Samenspende. Im Rahmen der privaten Samenspende unter Verwendung selbstbeschaffter Samen (sog. „Becherspende“) wird es viele Fälle geben, die mit der ärztlich unterstützten Samenspende strukturell vergleichbar sind, weil unter den Beteiligten geklärt ist, dass der Samenspender keine elterliche Verantwortung für das Kind übernehmen will. Bei einer privaten Zeugung kann es aber viele unterschiedliche Konstellationen geben. Darunter auch Fälle, in denen der biologische Vater als rechtlicher Vater für das Kind sorgen möchte und dies dem Kindeswohl am besten entspricht. Es ist auch denkbar, dass die soziale Familie im Einzelfall nicht so gefestigt und stabil ist, dass sie ein höheres Gewicht hat als die Bindung zum biologischen Vater (die sich nicht auf die genetische Verwandtschaft beschränken muss, sondern auch durch tatsächlich übernommene Verantwortung verstärkt sein kann).

Weil viele Fälle der privaten Samenspende mit der offiziellen Samenspende vergleichbar sind, könnte dies im Hinblick auf das kommende Gesetzgebungsverfahren eher gegen eine (in der juristischen Literatur teilweise befürwortete[18] und vom Familienbund erwogene[19]) abstammungsrechtliche Sonderregelung nur für ärztlich unterstützte Samenspenden sprechen. Für den Familienbund ist aber in jedem Fall wichtig, dass der biologische Vater durch die Neuregelung nicht von vorneherein von der Vaterschaft ausgeschlossen wird, sondern eine Chance erhält, rechtlicher Vater zu werden. Seine Interessen sind angemessen zu berücksichtigen.

Das folgt auch aus dem Verfassungsrecht. Denn der biologische Vater wird durch das Elternrecht gem. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützt. Das Grundgesetz betont das, indem es davon spricht, dass Pflege und Erziehung der Kinder das „natürliche“ Recht der Eltern seien. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG schützt den biologischen Vater in seinem Interesse, die rechtliche Stellung als Vater einzunehmen.[20] Auf der anderen Seite genießt auch die gelebte soziale Familie verfassungsrechtlichen Schutz. Unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes steht gem. Art. 6 Abs. 1 GG die tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft von Eltern und Kindern. Der Familienbund hält die in den Eckpunkten gefundene Lösung für richtig, zunächst die (Ehe-)Partnerin der Geburtsmutter als Elternteil zuzuordnen (Primärzuordnung) und die notwendige Abwägung der Interessen im Rahmen der Anfechtung der rechtlichen Elternschaft durch den leiblichen Vater zu regeln (Sekundärzuordnung).

Zuletzt soll noch auf ein mögliches Problem im Hinblick auf Männerpaare eingegangen werden: Wenn bei Frauenpaaren die Zuordnung des zweiten Elternteils nicht mehr aufgrund der biologischen Abstammung erfolgt, könnten Männerpaare möglicherweise eine Diskriminierung geltend machen, da eine zweite Vaterschaft durch Ehe oder Anerkennung weiterhin nicht möglich sein soll. Will man wie die Eckpunkte – aus guten Gründen[21] – beim Zwei-Eltern-Prinzip bleiben, wäre eine Vaterschaft von zwei Vätern aber nur unter Ausschluss der Geburtsmutter möglich. Das wäre die Konstellation der Leihmutterschaft, die in Deutschland verboten ist und als Menschenwürdeverstoß[22] eingeordnet wird. Am Verbot der Leihmutterschaft sollte ebenso festgehalten werden wie daran, dass einem Kind nicht mehr als zwei rechtliche Eltern zugeordnet werden sollten. Im Ergebnis erscheint es sachlich gerechtfertigt, dass nach den Eckpunkten zwar die unmittelbare Elternzuordnung von zwei Frauen, nicht aber diejenige von zwei Männern möglich ist. Dass man zur Begründung auf biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen rekurrieren muss, zeigt jedoch, dass das geplante neue Zuordnungssystem nicht ganz widerspruchsfrei ist.

2. Anfechtung: Interessenabwägung mehrerer sozial-familiärer Beziehungen

Die Anfechtung der rechtlichen Elternschaft eines Vaters (oder zukünftig auch: einer Mit-Mutter) durch den leiblichen Vater setzt nach geltendem Recht voraus, dass zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater (bzw. seiner Mit-Mutter) keine sozial-familiäre Beziehung besteht (vgl. § 1600 Abs. 2 BGB). Die sozial-familiäre Beziehung schließt die Anfechtung aus. Eine solche liegt vor, wenn der durch Ehe oder Anerkennung zugeordnete Vater (bzw. die Mit -Mutter) tatsächliche Verantwortung für das Kind trägt oder getragen hat (§ 1600 Abs. 3 S. 1 BGB). Dies wird bei einer Ehe oder längerem Zusammenleben vermutet (§ 1600 Abs. 3 S. 2 BGB). Das Gesetz schützt also die gelebte Familie. Unerheblich ist derzeit, ob auch der leibliche Vater tatsächliche Verantwortung getragen hat oder trägt. Die Eckpunkte schlagen vor, dass künftig eine Abwägung erfolgen kann, wenn mehrere sozial-familiäre Beziehungen vorliegen, also auch eine solche zum leiblichen Vater besteht.

Der Familienbund der Katholiken hält es für richtig, dass eine Abwägung mehrerer sozial-familiärer Beziehungen möglich ist. Falls die sozial-familiäre Beziehung des Kindes zum biologischen Vater wichtiger ist, entspricht eine Anfechtung der Vaterschaft dem Kindeswohl. Eine solche Abwägung ermöglicht besser als das bestehende Recht Einzelfallgerechtigkeit. In der Rechtsprechung gab es den Fall, dass der biologische Vater bereits mehrere Jahre mit dem Kind und der Mutter in einer Familie zusammengelebt, aber versäumt hatte, durch Anerkennung auch rechtlicher Vater zu werden. Nachdem sich die Mutter von ihm getrennt hatte, kam ihm der neue Partner der Mutter, der nur eine lose sozial-familiäre Beziehung zum Kind aufgebaut hatte, mit der Vaterschaftsanerkennung zuvor. In diesen Fällen einer bestehenden, bereits länger andauernden sozial-familiären Beziehung zwischen dem Kind und dem biologischen Vater erscheint es ungerecht, generell der sozial-familiären Beziehung zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater den Vorzug geben.

Die Abwägung der bestehenden sozial-familiären Beziehungen wird auch dem Umstand gerecht, dass sich der biologische Vater und der soziale Vater (bzw. die Mit-Mutter) auf verfassungsrechtliche Positionen berufen können, einerseits auf das Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 GG), andererseits auf den besonderen Schutz der Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) (siehe oben II.1 a.E.). Der Familienbund hält es für richtig, dass die Eckpunkte eine Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles ermöglichen wollen. Hierzu gehört aus der Sicht des Familienbundes insbesondere auch das Kindeswohl. Mit Blick auf das Kindeswohl erscheint es außerdem richtig, dass nach den Eckpunkten das „Interesse am Erhalt der gelebten Familie […] im Zweifel Vorrang haben soll“[23].

Dieser Akzent zugunsten des Schutzes der aktuell gelebten sozialen Familie ist dem Familienbund wichtig. Widersprüchlich dazu ist die folgende Passage der Eckpunkte, die in ihrer Formulierung im Zweifel dem leiblichen Vater den Vorzug zu geben scheint: „Vielmehr soll die Anfechtung für den leiblichen Vater nur dann ohne Erfolg bleiben, wenn eine sozial-familiäre Beziehung des Kindes zum zweiten Elternteil besteht und das Familiengericht im Rahmen einer Interessenabwägung, die es künftig vorzunehmen hat, zu dem Ergebnis kommt, dass sein Anfechtungssinteresse das Interesse am Fortbestand der bisherigen Elternschaft nicht überwiegt.“[24]

Die Ermöglichung der Abwägung erscheint bereits mit Blick auf das geltende Recht sinnvoll. Im Zusammenhang mit der Einführung der Mit-Mutterschaft erscheint sie geboten. Denn wenn eine Regelung getroffen wird, die den biologischen Vater im Rahmen der Primärzuordnung (durch Ehe oder Anerkennung) ausschließt, müssen seine Interessen zumindest im Rahmen der Sekundärzuordnung (Anfechtung der rechtlichen Elternschaft) angemessen Berücksichtigung finden. Sonst wäre sein Elternrecht als leiblicher Elternteil (Art. 6 Abs. 2 GG) unverhältnismäßig beeinträchtigt.

Im Falle einer mit Einwilligung aller Beteiligten durchgeführten Samenspende ist eine Interessenabwägung aber nicht erforderlich. Wenn der biologische Vater im Rahmen einer ärztlichen oder privaten Samenspende an der Zeugung des Kindes mitgewirkt hat, ist darin oft ein konkludenter Verzicht auf das Anfechtungsrecht zu sehen. Dasselbe gilt für die Mutter, den rechtlichen Vater und die Mit-Mutter unter der Voraussetzung, dass sie in die Durchführung in die Samenspende eingewilligt haben. Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte aber § 1600 Abs. 4 BGB so gefasst werden, dass in Fällen der Samenspende keine Anfechtungsrechte der mit der Durchführung der Samenspende einverstandenen Personen bestehen. Bei privaten Samenspenden sollte man den Anfechtungsausschluss auf Fälle beschränken, in denen das geplante allgemeine Spenderdatenregister genutzt wurde. Alternativ könnte man auch einen ausdrücklichen Verzicht auf die Anfechtung für den Anfechtungsausschluss verlangen. Damit wäre im Hinblick auf die erwachsenen Beteiligten eine sichere Zuordnung der Elternschaft gewährleistet.

Dem Familienbund ist es aber wichtig, dass das Anfechtungsrecht des Kindes erhalten bleibt. Denn das Kind hat die Umstände seiner Entstehung nicht zu verantworten. Das BVerfG hat in den vergangenen Jahren die Bedeutung der biologischen Abstammung für die Identitätsbildung betont. Daher sollte dem Kind, das nie gefragt wurde, die Möglichkeit erhalten bleiben, seine Identität gegebenenfalls in einer anderen, von ihm persönlich als richtig empfundenen Zuordnung der Elternschaft zu finden.

3. Anfechtungsfrist

Die Frist zur Anfechtung der Vaterschaft (bzw. der Mutterschaft der weiteren Frau) soll von zwei Jahren auf ein Jahr verkürzt werden. Zugleich soll die Frist für heranwachsende Anfechtungsberechtigte insofern verlängert werden, als die Frist nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres enden soll. Bisher endet die zweijährige Frist frühestens zwei Jahre nach Eintritt der Volljährigkeit. Voraussetzung für den Beginn der Frist ist, dass das Kind von den Umständen erfahren hat, die gegen die Vaterschaft sprechen (vgl. § 1600b Abs. 1, Abs. 3 BGB), so dass der Fristablauf auch deutlich später sein kann.

Der Familienbund weist darauf hin, dass es sich bei der Anfechtungsfrist nicht um eine reine Überlegungsfrist handelt. Vielmehr handelt es sich bei der Frage der Elternschaft um eine sehr wichtige Entscheidung, bei der ausreichend Zeit sein muss, die Situation für sich und mit den anderen Beteiligten zu klären. Zudem spricht die geplante Möglichkeit, mehrere sozial-familiäre Beziehungen gegeneinander abzuwägen (s.o.) eher dafür, die bestehende Zweijahresfrist nicht zu kürzen. Denn diese ermöglicht, auch eine gewisse Entwicklung der zwei sozial-familiären Beziehungen abzuwarten, damit im Sinne des Kindeswohles die beste Entscheidung erfolgt. Über einen längeren Zeitraum ist auch besser ersichtlich, ob tatsächlich dauerhaft Verantwortung für das Kind übernommen wird. Die bisher geltende Zweijahresfrist erscheint nicht so lang, dass aus Kindessicht zwingend eine Kürzung erforderlich wäre.

Der Familienbund spricht sich daher für den Erhalt der zweijährigen Anfechtungsfrist aus. Insbesondere gilt dies für den Fall der Anfechtung durch das Kind. Der Familienbund begrüßt, dass die Eckpunkte die Bedeutung der Entscheidung für das Kind dadurch anerkennen, dass das frühestmögliche Fristende auf die Vollendung des 21. Lebensjahres verschoben werden soll. Zu Recht wird auf die Problematik hingewiesen, dass „die Anfechtung dazu führt, dass die Verwandtschaft des Kindes zum Vater und beispielsweise auch zu den Großeltern väterlicherseits rückwirkend entfällt“, so dass junge Erwachsene „vor einer übereilten Entscheidung in der Phase des Heranwachsens zu schützen“[25] sind. Aufgrund der Bedeutung der Entscheidung über die Anfechtung sollte das Kind wie bisher mindestens zwei Jahre Zeit für die Anfechtung haben, wenn es davon erfährt, dass sein rechtlicher Vater möglicherweise nicht sein biologischer Vater ist.

4. Einschränkung des Anfechtungsrechtes der Geburtsmutter und des Kindes bei sozial-familiärer Beziehung zwischen Kind und zweitem Elternteil

Der Ausschluss der Anfechtung durch eine sozial-familiäre Beziehung des Kindes zum rechtlichen Vater soll in Zukunft nicht nur dem außerhalb der sozialen Familie stehen-den biologischen Vater entgegengehalten werden können, sondern auch der Geburtsmutter und dem Kind.

Der Familienbund sieht diese Einschränkung des Anfechtungsrechts für das Kind und die Geburtsmutter (für den rechtlichen Vater soll sie ausdrücklich nicht gelten[26]) kritisch. Sinn und Zweck des Ausschlussgrundes der sozial-familiären Beziehung ist es, die gelebte soziale Familie vor einer Beeinträchtigung durch eine außenstehende Person zu schützen. Wenn die Geburtsmutter oder das Kind anfechten wollen, wird die soziale Familie aber von innen in Frage gestellt, so dass der bisherige Schutzzweck nicht passt. Neuer Schutzzweck kann in diesem Fall nur der Schutz der sozial-familiären Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater sein. Dieser Schutzzweck kann aber jedenfalls nicht der Anfechtung des Kindes entgegengehalten werden, weil man die sozial-familiäre Beziehung des Kindes nicht gegen dessen Willen schützen kann. Mindestens das Anfechtungsrecht des Kindes muss also unangetastet bleiben.

5. Erklärung des Nichtbestehens der Elternschaft des Ehegatten der Geburtsmutter

Vätern oder Mit-Müttern, die aufgrund der Ehe als Eltern zugeordnet wurden, soll es in Zukunft möglich sein, sich leichter von der Elternschaft zu lösen, wenn sie weder biologischer Elternteil sind, noch in die Durchführung einer künstlichen Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten eingewilligt haben. In diesem Fall soll kein gerichtliches Anfechtungsverfahren erforderlich sein, sondern nur eine Prüfung durch das Standesamt. Voraussetzung für das Nichtbestehen der Elternschaft soll sein, dass die verheirateten rechtlichen Eltern dieses einvernehmlich erklären und dafür Nachweise – z.B. ein negatives Abstammungsgutachten – vorlegen.

Der Familienbund gibt zu bedenken, dass die Vereinfachung des zum Nichtbestehen der Elternschaft führenden Verfahrens nicht im Sinne des Kindes ist. Denn dieses verliert dadurch einen rechtlichen Elternteil, der als Ehepartner:in der Geburtsmutter prinzipiell als Elternteil geeignet wäre – ohne unmittelbar einen neuen zweiten Elternteil zu erhalten. Die Eckpunkte betonen an vielen Stellen die Wichtigkeit, dass das Kind bei Geburt unmittelbar zwei rechtliche Elternteile erhält. Dazu steht es in einem Widerspruch, wenn rechtliche Eltern sich möglichst unbürokratisch von der rechtlichen Elternschaft lösen können sollen.

Für die Fälle, dass die Mit-Mutter und Ehegattin der Geburtsmutter das Nichtbestehen der Elternschaft anstrebt, kann nicht geltend gemacht werden, dass ein gerichtliches Anfechtungsverfahren schon deswegen überzogen ist, weil ohnehin klar ist, dass die Mit-Mutter mit dem Kind nicht biologisch verwandt ist. Denn die (vermutete) biologische Abstammung ist bei der Mit-Mutter gerade nicht mehr der Zuordnungsgrund für die Elternschaft (s.o.). Sieht man die Vermutung, dass die (Ehe-)Partnerin der Geburtsmutter gemeinsam mit dieser eine Samenspende veranlasst hat und dadurch mittelbar beteiligt an der Zeugung war, als Zuordnungsgrund, könnte der Nachweis, dass diese Vermutung falsch ist, Anfechtungsgrund sein. Die Klärung dieser Frage ist aber nicht so trivial, dass ein Gerichtsverfahren von vorneherein überzogen erscheint, zumal vor Gericht auch Zeugen vernommen werden können.

Der Familienbund spricht sich für die Notwendigkeit eines gerichtlichen Anfechtungsverfahrens aus. Dieses schützt vor übereilten Entscheidungen. Es kann dazu beitragen, dass der Ehepartner bzw. die Ehepartnerin der Geburtsmutter sich erst nach guter Überlegung und unter Berücksichtigung einer sich möglicherweise entwickelnden Beziehung zum Kind von der rechtlichen Elternschaft löst. 

Da die Eckpunkte im Zusammenhang mit der Erklärung des Nichtbestehens der Elternschaft nur die „medizinisch assistierte künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten“ (offizielle Samenspende) ausdrücklich erwähnen, ist darauf hinzuweisen, dass es auch bei Einwilligung in die Durchführung einer privaten Samenspende nicht möglich sein sollte, sich von der Elternschaft zu lösen. Denn auch bei der privaten Samenspende hat der Ehegatte bzw. die Ehegattin die Verantwortung für die Entstehung des Kindes übernommen.

6. Elternschaftsvereinbarung

Die Eckpunkte sehen die Möglichkeit vor, vor der Zeugung des Kindes eine öffentlich beurkundete Elternschaftsvereinbarung abzuschließen. Durch diese soll vereinbart werden können, wer neben der Geburtsmutter zweiter Elternteil werden soll. Die Vereinbarung soll den gesetzlichen Regelungen zur Elternschaft (Vaterschaft bzw. Mit-Mutterschaft durch Ehe, Anerkennung oder gerichtliche Feststellung der biologischen Elternschaft) vorgehen und eine sichere Zuordnung der Elternschaft ermöglichen, die nicht angefochten werden kann, auch nicht durch das Kind.[27] In der Elternschaftsvereinbarung sollen auch Fragen des Sorge- und Umfangsrechts geregelt werden können. Eine Beschränkung auf Fälle der Samenspende sehen die Eckpunkte nicht vor (auch wenn es in den Beispielsfällen häufig um Fälle der Samenspende geht). Eine Einschränkung besteht dadurch, dass die Elternschaftsvereinbarung nur vor der Zeugung des Kindes möglich sein soll. Wird sie abgeschlossen, soll sie für das erste Kind gelten, das innerhalb der nächsten drei Jahre gezeugt und geboren wird. Bis zur Zeugung des Kindes soll die Elternschaftsvereinbarung widerruflich sein.

Der Familienbund spricht sich gegen die Einführung einer Elternschaftsvereinbarung aus. Diese wäre ein grundlegender Wandel im Abstammungsrecht, das in Zukunft (teilweise) zur vertraglichen Disposition stünde. Die gesetzlichen Regelungen zur zweiten Elternstelle (Vater, Mit-Mutter) gälten nur noch, soweit nichts anderes vereinbart ist. Kinder und die Rechte an einem Kind sollten kein Vertragsgegenstand sein, über den die an der Entstehung des Kindes beteiligten Erwachsenen frei verfügen können. Die Elternschafsvereinbarung erscheint aus der Perspektive der Wunscheltern und sonstigen beteiligten Erwachsenen gedacht. Es ist zweifelhaft, ob diese Freiheit im Umgang mit der Zuordnung von Kindern dem Kindeswohl entspricht.

Es ist außerdem zu bedenken, dass die Vertragsfreiheit in der sozialen Wirklichkeit durch ungleiche Machtverhältnisse beeinflusst und möglicherweise beeinträchtigt wird. Der Familienbund spricht sich für eine Eltern-Kind-Zuordnung aus, die klaren, rational begründbaren und verbindlichen Zuordnungskriterien folgt und nicht der Privatautonomie der Beteiligten und damit letztlich der Beliebigkeit überlassen wird.

Bei der Eltern-Kind-Zuordnung sollte das Kindeswohl das oberste Kriterium sein und nicht vertragliche Prinzipien wie die Einhaltung von Verträgen („pacta sunt servanda“ / „Verträge sind einzuhalten“) und das Prinzip von Leistung und Gegenleistung („do ut des“ / „ich gebe, damit du gibst“). Auch wenn die an der Zeugung beteiligten Personen das Gefühl haben, dass ihnen aufgrund ihres Beitrags an der Entstehung des Kindes ein Anteil an den Rechten am Kind zusteht, ist die entscheidende Frage aus Kindersicht nicht der Blick zurück auf die Umstände der Entstehung des Kindes, sondern der Blick nach vorne auf das zukünftige Leben des Kindes: Es geht darum, welche Eltern-Zuordnung in der Lebenslaufperspektive für das Kind wahrscheinlich am förderlichsten ist.

Dem Kindeswohl dient es in vielen Fällen langfristig am besten, wenn das Kind den biologischen Eltern oder der Geburtsmutter und ihrem/ihrer festen Partner:in zugeordnet wird. Denn hier ist die Beständigkeit der Eltern-Kind-Beziehung am besten gewährleistet. Wie oben bereits ausgeführt (siehe I.) sind die biologischen Eltern nach dem Bundesverfassungsgericht „von Natur aus grundsätzlich bereit und berufen […], die Verantwortung für seine Pflege und Erziehung zu übernehmen“ [28]. Es ist zweifelhaft, ob eine vertragliche Bindung durch eine Elternschaftsvereinbarung ebenso fest und dauerhaft ist – insbesondere wenn sich das Leben anders entwickelt, als man es ursprünglich geplant hatte, z.B. wenn Beziehungen auseinandergehen oder Beteiligte krank werden. Bei der Leihmutterschaft sind einige Fälle bekannt, in denen die vertraglichen Wunscheltern ein Kind mit Behinderung nicht annehmen wollten. Bei Verträgen gilt prinzipiell der Gedanke, dass man sich von ihnen auch wieder lösen kann, wenn der Vertrag nicht mehr zum Leben passt. Für Kinder sind aber stabile, krisenfeste Bindungen von großer Wichtigkeit. Dort, wo sie bestehen, - z.B. im Rahmen von Verwandtschaft und dauerhaften Beziehungen – sollte das Recht sie stärken.

Die Elternschaftsvereinbarung ist auch nicht erforderlich, um im Rahmen der Samenspende eine hinreichend sichere Zuordnung zu ermöglichen. Der Familienbund befürwortet, eine präkonzeptionelle (d.h. vor der künstlichen Befruchtung erfolgende) Anerkennung der Vater- bzw. Mit-Mutterschaft ausdrücklich zu ermöglichen, da im geltenden Recht die Anerkennung erst nach Zeugung möglich ist. Die präkonzeptionelle Anerkennung sollte nur bis zum Zeitpunkt der Durchführung der künstlichen Befruchtung widerruflich sein. Dadurch wäre das Problem gelöst, dass eine Person, die zum Zeitpunkt der Durchführung der künstlichen Befruchtung Elternteil werden möchte, nach erfolgreicher Befruchtung entgegen ihrem vorher gegebenen Versprechen keine Anerkennungserklärung abgibt, weil sie ihren Willen geändert hat oder inzwischen verstorben ist.[29] So wäre sichergestellt, dass das Kind im Zeitpunkt der Geburt zwei Elternteile hat. Die Anfechtung der rechtlichen Elternschaft, sollte für diejenigen Personen ausgeschlossen sein, die in die Durchführung der Samenspende eingewilligt haben, während dem Kind das Anfechtungsrecht erhalten bleiben sollte (s.o. II.2.). Dass die Elternschaftsvereinbarung auch dem Kind das Anfechtungsrecht nehmen soll, ist nicht gerechtfertigt, da hierdurch ein Vertrag zu Lasten Dritter geschlossen würde.

Außer der Samenspende nennen die Eckpunkte als Beispielsfall für die Elternschaftsvereinbarung den Fall, dass ein schwules Ehepaar und ein lesbisches Ehepaar die Zeugung eines Kindes verabreden und intendieren, dass die Geburtsmutter und der leibliche Vater Eltern werden sollen. Dieses Ergebnis der Zuordnung entsprechend der biologischen Abstammung könnten die Eltern aber auch ohne Elternschaftsvereinbarung über den Weg der gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft des leiblichen Vaters erreichen – mit etwas mehr Aufwand. Die Ersparnis eines in Sonderkonstellationen auftretenden Mehraufwands rechtfertigt aber nicht, die regelmäßig gerade auch mit Blick auf das Kindeswohl passenden Kriterien der Eltern-Kind-Zuordnung generell und mit Wirkung für alle Familien zur Disposition zu stellen. Ein gewisser Mehraufwand bei einer Abweichung vom gesetzlichen Regelfall ist auch nicht pauschal als negativ zu bewerten. Vielmehr kann er dazu beitragen, die für das Kind wichtige Entscheidung zu reflektieren.

Durch eine Elternschaftsvereinbarung wäre es nach den Eckpunkten auch möglich, dass ein Kind, das biologisch vom Ehegatten der Geburtsmutter abstammt, dennoch einer dritten Person als zweitem Elternteil zugeordnet wird. Es ist zweifelhaft, ob das im Sinne des Kindeswohles wäre, zumal, wenn auch eine Anfechtung durch das Kind ausscheidet. Wenn eine andere Eltern-Kind-Zuordnung gewünscht ist, als diejenige, bei der im Regelfall die förderlichsten Bedingungen für das Kind zu erwarten sind, sollte das nicht möglichst unbürokratisch möglich sein, sondern in einem Verfahren umgesetzt werden, das auch eine Überprüfung zulässt (z.B. in einem Adoptionsverfahren). Dass sicherlich die wenigsten Ehepaare ihr gemeinsames Kind per Vertrag einer dritten Person als zweitem Elternteil zuweisen würden, ist kein gutes Argument für die Elternschaftsvereinbarung. Denn das Gesetz sollte so gestaltet sein, dass es nicht-intendierte Anwendungen möglichst ausschließt.

Die Eckpunkte haben wahrscheinlich Konstellationen bei Regenbogenfamilien im Kopf, in denen man unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls den Zuordnungswunsch der Beteiligten auch mit Blick auf das Kind nachvollziehen kann. Dennoch eröffnen die Eckpunkte einen weit über die Regenbogenfamilien hinausgehenden Anwendungsbereich, wodurch das Abstammungsrecht für alle Familien und alle Kinder in Fluss gerät. Das erscheint nicht sinnvoll.

Führt man den Gedanken in das Recht ein, dass private Vereinbarungen über die Eltern-Kind-Zuordnung den gesetzlichen Zuordnungskriterien vorgehen, wird auch die Frage aufgeworfen, warum sich die Vertragsfreiheit nur auf die Vaterschaft und die Mit-Mutterschaft beziehen sollte. Warum sollte es dann weiterhin zwingend sein, dass die Mutter des Kindes die Frau ist, die das Kind geboren hat (§ 1591 BGB)? Die Eckpunkte betonen zwar ausdrücklich, dass diese Regelung, die momentan der Einführung der Leihmutterschaft im Wege steht, erhalten bleiben soll. Mittelfristig steht dieses Bekenntnis aber auf unsicherer Grundlage. Eine Erweiterung der Elternschaftsvereinbarung auf Fälle der Leihmutterschaft wäre rechtssystematisch ohne weiteres möglich und läge im Rahmen der durch die Eckpunkte eingeführten Logik eines vertraglich dispositiven Abstammungsrechtes. Der Familienbund lehnt diesen Ansatz mit Blick auf das Kindeswohl ab.

7. Anerkennung der Vaterschaft mit Zustimmung des Ehegatten der Mutter

Wenn die Geburtsmutter verheiratet ist, wird nach geltendem Recht der Ehemann Vater (bzw. die Ehefrau Mit-Mutter). Die Anerkennung der Vaterschaft (bzw. der Mit-Mutterschaft) durch eine andere Person ist nur möglich, wenn vor der Geburt des Kindes ein Scheidungsverfahren eingeleitet wurde (§ 1599 Abs. 2 S. 1 BGB). Zukünftig soll es möglich sein, dass trotz bestehender Ehe eine dritte Person die Vaterschaft bzw. die Mit-Mutterschaft anerkennt, wenn sich die Mutter, deren Ehepartner:in und die dritte Person einig sind.

Der Familienbund sieht es aus den bereits beim Thema Elternschaftsvereinbarung (siehe oben II.6.) ausgeführten Gründen kritisch, wenn an die Stelle klarer und für das Kindeswohl im Regelfall förderlicher Zuordnungskriterien die freie Entscheidung der Beteiligten über die Zuordnung der Elternschaft tritt. Die Eckpunkte nennen den Beispielsfall, dass der Ehemann der Mutter kraft Gesetzes rechtlicher Vater wird, obwohl alle Beteiligten wissen, dass ein anderer Mann der leibliche Vater ist. Das ist aber nur eine der möglichen Konstellationen. Möglich wäre auch der Fall, dass der Ehemann leiblicher Vater des Kindes ist und die Vaterschaft bzw. Mitmutterschaft mit Einverständnis aller Beteiligten dennoch einer dritten Person zugeordnet wird. Denn eine Prüfung der biologischen Elternschaft ist nicht vorgesehen. In diesem Fall wäre es aber für das Kindeswohl in der Regel förderlich, wenn das Kind dem biologischen Vater, der zugleich Ehemann der Geburtsmutter ist, zugeordnet wird. Darüber sollten die Ehepartner:innen auch nicht ohne Weiteres disponieren können.

Für den in den Eckpunkten genannten Beispielsfall käme möglicherweise das Verfahren in Betracht, das in den Eckpunkten unter „Erklärung des Nichtbestehens der Elternschaft des Ehegatten der Geburtsmutter“ (siehe oben II.5.) vorgesehen ist. Wenn die Ehegatten einvernehmlich – und durch Nachweise belegt – vor dem Standesamt erklären, dass der/die Ehepartner:in der Mutter weder biologischer Elternteil ist, noch in Zeugung des Kindes mittels Samenspende eines Dritten eingewilligt hat, und wenn zugleich eine dritte Person die Elternschaft anerkennt, könnte ein gerichtliches Anfechtungsverfahren möglicherweise als entbehrlich angesehen werden. Die Verfahrensvereinfachung könnte in diesem Fall deswegen gerechtfertigt sein, weil das Kind nicht nur einen Elternteil verliert (wie in der oben unter II.5. diskutierten Konstellation), sondern sofort einen anderen Elternteil, der die Elternschaft übernehmen möchte, zugeordnet bekommt. Man könnte andererseits aber auch einwenden, dass der Übereilungsschutz durch das gerichtliche Anfechtungsverfahren auch in dieser Konstellation sachgerecht ist.

8. Sperrwirkung eines anhängigen Feststellungsverfahrens

Nach den Eckpunkten soll der mögliche biologische Vater, der ein gerichtliches Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft eingeleitet hat, davor geschützt werden, dass eine Person während des Feststellungsverfahrens die Vaterschaft (oder zukünftig auch: Mit-Mutterschaft) anerkennt und ihm damit im Ergebnis die Möglichkeit nimmt, rechtlicher Vater zu werden. Eine Anerkennung der Vaterschaft trotz laufenden Feststellungsverfahrens soll möglich sein, wenn es sich bei der anerkennenden Person nachweislich um den leiblichen Vater handelt.

Der Familienbund unterstützt diese Regelung. Sie schützt sie den leiblichen Vater besser davor, dass ein sog. „Sperrvater“ gesucht wird, der die Vaterschaft nur anerkennen soll, um die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft des leiblichen Vaters zu verhindern. Da die Regelung den leiblichen Vater schützen soll, ist es richtig, dass eine Anerkennung bei Nachweis der leiblichen Vaterschaft möglich sein soll.

9. Einführung eines statusunabhängigen Feststellungsverfahrens

Es soll ein Verfahren eingeführt werden, dass lediglich der Feststellung der leiblichen Elternschaft dient, ohne dass sich Konsequenzen für die rechtliche Elternschaft (bzw. den Elternstatuts) ergeben.

Der Familienbund unterstützt dieses Vorhaben. Die zusätzliche Option eines statusunabhängigen Feststellungsverfahrens stärkt das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner leiblichen Abstammung.

 

III. Bewertung der einzelnen Reformvorschläge zum Sorgerecht

1.Mehr Gestaltungsmöglichkeit in Bezug auf das elterliche Sorgerecht

Der Vorschlag der Eckpunkte ist, dass Eltern künftig mehr Gestaltungsmöglichkeit in Bezug auf das elterliche Sorgerecht haben sollen. Alleinsorge eines Elternteils, gemeinsame elterliche Sorge, Übertragung der elterlichen Sorge von einem Elternteil auf den anderen sollen die Eltern künftig vereinbaren können, z.B. in einer Elternschaftsvereinbarung (vgl. oben II.6.), jeweils unter Einbeziehung des Jugendamtes. Die Vereinbarung einer Gegenleistung oder einer Vertragsstrafe soll dabei unzulässig sein.

Der Familienbund ist skeptisch, ob die geplante neue Vertragsfreiheit einen Fortschritt darstellt. Die notwendige Einbeziehung des Jugendamtes und die Unzulässigkeit der Vereinbarung einer Gegenleistung zeigen, dass die Eckpunkte die Gefahren dieses Modells durchaus sehen. Bei ungleichen tatsächlichen Machtverhältnissen kann Vertragsfreiheit zum Recht des Stärkeren werden. In Familien sind diese nicht selten. Es gibt ungleiche ökonomische Verhältnisse, persönliche Abhängigkeiten, Gewalt in Beziehungen. Es ist zu befürchten, dass die Gestaltungsmöglichkeiten teilweise ausgenutzt würden – z.B. zum Nachteil von Frauen. Es ist fraglich, ob das Jugendamt das effektiv verhindern würde. Denn ein sehr restriktives Vorgehen des Jugendamtes wäre nicht im Geiste der Neuregelung, die gerade das Ziel hat, den Eltern Gestaltungsfreiheit zu ermöglichen. Wenn das Jugendamt eine echte Hürde sein soll, kann man auch bei der bisherigen und bewährten Zuständigkeit der Familiengerichte bleiben.

Das geltende Leitbild der gemeinsamen Sorge und die geltenden Regelungen zum Erwerb des Sorgerechts (§ 1626a BGB) hält der Familienbund für eine gute Interessenabwägung im Sinne des Kindeswohls, die sich über mehrere Reformschritte und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG entwickelt hat. Fehlt die Zustimmung der Mutter zur gemeinsamen elterlichen Sorge, muss der andere Elternteil diese zwar beim Familiengericht beantragen. Im Ergebnis scheidet eine gemeinsame elterliche Sorge aber nur dann aus, wenn die Mutter vor Gericht die gesetzliche Vermutung widerlegt, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht (§ 1626a Abs. 2 S. 2 BGB). Im Regelfall führt das geltende Recht zu einer sachgerechten Zuweisung der elterlichen Sorge. Es dient dem Schutz aller Beteiligten inklusive des Kindes, wenn die materiell- und verfahrensrechtlich abgewogenen Regelung nicht zu leicht durch eine privatrechtliche Vereinbarung umgangen werden kann. Auch dass Veränderungen bei der elterlichen Sorge aktuell familiengerichtliche Entscheidungen voraussetzen (vgl. Übertragung der Alleinsorge  gem. § 1671 BGB und (Teil-)Entziehung des Sorgerechts gem. § 1666 BGB), ist nicht als bürokratische Einschränkung der elterlichen Autonomie, sondern als verfahrensrechtlicher Schutz zu verstehen.

2. „Kleines Sorgerecht“

Das sogenannte „kleine Sorgerecht“ soll erweitert werden. Es ist derzeit in § 1687b BGB geregelt:

§ 1687b BGB Sorgerechtliche Befugnisse des Ehegatten

(1) Der Ehegatte eines allein sorgeberechtigten Elternteils, der nicht Elternteil des Kindes ist, hat im Einvernehmen mit dem sorgeberechtigten Elternteil die Befugnis zur Mitentscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes. […]

Das geltende „kleine Sorgerecht“ ist in verschiedener Hinsicht eingeschränkt. Zum einen ist der Inhalt des Rechts nur eine „Mitentscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes“. Diese Einschränkung wollen die Eckpunkte beibehalten. Bei anderen Einschränkungen ist aber eine Erweiterung vorgesehen. Während bisher nur der Ehegatte (Voraussetzung 1) eines allein sorgeberechtigten (Voraussetzung 2) Elternteils das „kleine Sorgerecht“ hat, soll es zukünftig nicht mehr darauf ankommen, ob eine Ehe vorliegt (vgl. Voraussetzung 1) oder ob eine Alleinsorge oder eine gemeinsame elterliche Sorge vorliegt (vgl. Voraussetzung 2). Vielmehr sollen – neben den bis zu zwei sorgeberechtigten Eltern – bis zu zwei weitere Personen das „kleine Sorgerecht“ erhalten – also insgesamt maximal vier Personen. Die Eltern sollen diese weiteren Personen frei auswählen können. Das „kleine Sorgerecht“ sollen die sorgeberechtigten Eltern jederzeit beenden können.

Der Familienbund vertritt die Auffassung, dass beim „kleinen Sorgerecht“ gem. § 1687b BGB Erweiterungen des Anwendungsbereichs vertretbar sind. Die Ehe als Voraussetzung für das „kleine Sorgerecht“ erscheint mit Blick auf viele stabile nicht-eheliche Beziehungen zu restriktiv. Auch nicht-ehelichen Lebensgefährtinnen und Lebensgefährten sollte ein „kleines Sorgerecht“ zustehen. Nach Einführung des Leitbilds der gemeinsamen Sorge erscheint es auch zu restriktiv, dass das „kleine Sorgerecht“ nur neben einer Alleinsorge eines Elternteils möglich sein soll. Der Gedanke dahinter, dass es nicht mehr als zwei Personen mit sorgerechtlichen Befugnissen geben soll, weil sich die Konfliktanfälligkeit mit jeder weiteren berechtigten Person potenziert, ist zwar richtig. Der Wunsch, dass neben zwei sorgeberechtigten Personen eine dritte und vierte Person eine „Mitentscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes“ hat, erscheint aber mit Blick auf Patchwork- und Regenbogenkonstellationen nachvollziehbar – unter der Voraussetzung, dass die sorgerechtlichen Befugnisse des „kleinen Sorgerechts“ nicht zugleich erweitert werden und sich im Streitfall die Inhaber der elterlichen Sorge durchsetzen.

Die Eckpunkte gehen etwas weiter als die soeben genannten Vorschläge des Familienbundes. Sie sehen eine freie Gestaltungsmöglichkeit der Eltern vor. Diese haben die Wahl, welchen zwei Personen sie das „kleine Sorgerecht“ gewähren wollen, sind also nicht auf Partner:innen beschränkt. Zugleich können sie die eingeräumten Befugnisse aber auch jederzeit wieder entziehen. Richterweise weisen die Eckpunkte als Begründung für die Möglichkeit der sofortigen Beendigung des „kleinen Sorgerechts“ darauf hin, dass „Meinungsverschiedenheiten zwischen bis zu vier Personen mit sorgerechtlichen Befugnissen […] zu belastend für das Kind sein“ könnten. Diese von den Eckpunkten gewählte Konstruktion ermöglicht es, die Komplexität und Konfliktanfälligkeit der sorgerechtlichen Beziehungen dann zu reduzieren, wenn tatsächlich Konflikte auftreten. Das erscheint als vertretbare Lösung. Die von den „eigentlichen“ Sorgerechten abgeleiteten und abhängigen „kleinen Sorgerechte“ bieten damit im besten Fall eine Chance, vor allem in Patchwork- und Regenbogenkonstellationen die tatsächliche Verantwortungsübernahme von mehr als zwei Personen für das Kind zu stärken. Die Stärkung ist aber vor allem auch eine symbolische. Denn bereits heute können die Sorgeberechtigten weiteren Personen ohne großen formalen Aufwand Befugnisse in Bezug auf das Kind einräumen (z.B. durch eine formlose Mitteilung an die Kindertageseinrichtung, dass auch eine dritte Person berechtigt ist, das Kind abzuholen).

Dem Familienbund ist wichtig, dass die elterliche Sorge und sorgerechtliche Befugnisse, die über die Angelegenheiten des täglichen Lebens hinausgehen, nicht mehr als zwei Personen zustehen. Rechte werden vor allem im Streitfall relevant. Wenn sich alle einig sind, können sich problemlos viele Personen um das Kind kümmern und für dieses Verantwortung übernehmen. Aber wenn ein Konflikt auftritt, sollte dieser nur zwischen maximal zwei Personen ausgetragen werden. Viele Fälle der Rechtspraxis zeigen, dass die Konfliktlösung bereits in Zwei-Personen-Konstellationen schwierig und im Hinblick auf das Kindeswohl problematisch sein kann.

3. Vollstreckbare Vereinbarungen über das Umgangsrecht zwischen den Eltern

Eltern sollen sofort vollstreckbare Vereinbarungen darüber treffen können, wie sie die Betreuung ihres Kindes untereinander zeitlich aufteilen möchten. Voraussetzungen sollen eine vorherige Beratung durch das Jugendamt und eine (notarielle?) Beurkundung der Vereinbarung sein.

Sofort vollstreckbare, also mit staatlichen Zwangsmitteln durchsetzbare Vereinbarungen sind ein scharfes Schwert, das zwingend voraussetzt, dass die Eltern die Vereinbarungen auf Augenhöhe und nicht im Rahmen ungleicher Machtverhältnisse (vgl. dazu oben III.1.) treffen. Fraglich ist, ob das durch die vorherige Beratung durch das Jugendamt und die (notarielle?) Beurkundung sichergestellt werden kann. Der Familienbund ist skeptisch. Es erscheint mit Blick auf den Schutz der schwächeren Beziehungspartner:innen vorzugswürdig, dass sofort vollstreckbare Vereinbarungen auch in Zukunft nur unter Beteiligung des Familiengerichts geschlossen werden können.

4. Vereinbarungen über das Umgangsrecht mit Dritten

Ebenso wie es den sorgeberechtigten Eltern möglich sein soll, weiteren Personen beschränkte sorgerechtliche Befugnisse einzuräumen („kleines Sorgerecht“, vgl. oben II.2.), soll es in Zukunft möglich sein, Dritten Umgangsrechte zu gewähren und dazu Umgangsvereinbarungen zu treffen. Diese Personen sollen frei wählbar sein (wobei eine zahlenmäßige Beschränkung auf höchstens zwei Personen anders als beim „kleinen Sorgerecht“ nicht vorgesehen ist). Diese Umgangsrechte sollen die sorgeberechtigten Eltern jederzeit wieder entziehen können. Wenn die Eltern mit Personen, die auch ein gesetzliches Umgangsrecht haben, eine Umgangsvereinbarung treffen (z.B. mit den Großeltern, vgl. § 1685 Abs. 1 BGB), soll diese Vereinbarung auch nach der Auflösung noch nachwirken: Die aufgelöste Umgangsvereinbarung soll die gesetzliche Vermutung begründen, dass der im Rahmen der Vereinbarung ausgeübte Umgang dem Wohl des Kindes auch weiterhin dient.

Will man solche Umgangsvereinbarungen ermöglichen, hält es der Familienbund für wichtig, dass diese – wie in den Eckpunkten vorgesehen – jederzeit von den sorgeberechtigten Eltern aufgelöst werden können. Denn ansonsten wäre die elterliche Sorge beeinträchtigt. Die Entscheidung darüber, welcher Umgang dem Kind guttut, muss in den Händen der sorgeberechtigten Eltern bleiben, die mit Blick auf die Zukunft frei entscheiden können müssen. Aus diesem Grund erscheint auch die geplante Nachwirkung einer aufgelösten Vereinbarung falsch. Denn es ist davon auszugehen, dass die sorgeberechtigten Eltern eine Umgangsvereinbarung nicht willkürlich auflösen werden, sondern dies nur tun, wenn nach ihrer Auffassung der bisherige Umgang nicht mehr im Sinne des Kindeswohls ist. Bei der Frage, was dem Kindeswohl dient, haben die sorgeberechtigten Eltern die Interpretationshoheit. Das ergibt sich aus dem Elternrecht des Grundgesetzes (Art. 6 Abs. 2 GG). Es ist nicht ersichtlich, warum unter diesen Umständen die gesetzliche Vermutung berechtigt sein sollte, dass der in der Vergangenheit ausgeübte Umgang mit Dritten auch in Zukunft dem Kindeswohl dient. Den sorgeberechtigten Eltern hier vor Gericht die Beweislast aufzuerlegen (Beweislastumkehr im Vergleich zu § 1685 Abs. 1 a.E. BGB) erscheint als unangemessener Eingriff in das elterliche Erziehungsrecht.

Die Einräumung eines formalen, aber jederzeit auflösbaren Umgangsrechts erscheint insbesondere auch als symbolische Aufwertung von weiteren Sorgepersonen. Eine grundsätzliche Veränderung wäre es nicht. Denn bereits jetzt können die Eltern den Umgang mit Dritten erlauben und auch wieder beenden. Stellt man sich die Frage, ob man die Umgangsvereinbarung überhaupt braucht, lässt sich anführen, dass dadurch Transparenz und (trotz Auflösbarkeit) eine erhöhte Verbindlichkeit unter den Beteiligten geschaffen werden kann. Möglicherweise können Umgangsvereinbarungen auch im Einzelfall zur Konfliktlösung beitragen. Die Eckpunkte nennen einen Beispielsfall, in denen ein Streit mit der Großmutter über die Häufigkeit des Umgangs mit dem Kind durch eine Umgangsvereinbarung befriedet werden kann, ohne dass es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommt.

Realitätsfern erscheint mit Blick auf das tatsächliche Familienleben und die damit verbundenen Entwicklungen, Überraschungen und Unwägbarkeiten, dass die Eckpunkte einen Fall skizzieren, in dem die zukünftigen rechtlichen Eltern vor der Zeugung (!) mit dem biologischen Vater des Kindes vereinbaren, dass er „jeden Freitagnachmittag von 14 bis 18 Uhr Zeit mit dem Kind verbringen soll; wenn [das Kind] drei Jahre alt geworden ist, soll [der biologische Vater] außerdem das erste und dritte Wochenende im Monat mit ihm verbringen, wenn dieses nicht in die Ferienzeiten des Landes Brandenburg fällt“[30]. Hier fällt auf, dass die geschlossene Vereinbarung vor allem mit Blick auf die an der Zeugung beteiligten Erwachsenen geschlossen wird. Denn ob der konkrete Inhalt der Umgangsvereinbarung später wirklich die im Sinne des Kindeswohls beste Lösung sein wird, kann man vor der Zeugung nicht wissen. Es ist daher fraglich, ob derartige Umgangsvereinbarungen vor Zeugung möglich sein sollten.

Die Einführung einer vor Zeugung abzuschließenden Elternschaftsvereinbarung, in deren Rahmen auch sorgerechtliche Befugnisse und Umgangsrechte vereinbart werden können, erscheint zweifelhaft (vgl. dazu auch II.6.). Die Einführung von – gesetzgeberisch sinnvoll umgesetzten – Umgangsvereinbarungen mit Dritten, kann sich der Familienbund aber grundsätzlich vorstellen. Für eine endgültige Bewertung muss aber der Gesetzentwurf abgewartet werden.

5. Erklärung über den Verzicht auf gesetzlichen Umgang

Zukünftig soll es möglich sein, dass Personen, die nicht rechtliche Eltern, sind auf ihr gesetzliches Umgangsrecht unabänderlich verzichten. Wegen der weitreichenden Wirkung eines solchen Verzichts soll eine (notarielle?) Beurkundung des Verzichts erforderlich sein. Ein Bedürfnis hierfür sehen die Eckpunkte für Fälle der privaten Samenspende und der Einwilligung in die Adoption.

Der Familienbund spricht sich gegen die Möglichkeit des endgültigen Verzichts auf gesetzliche Umgangsrechte aus. Ein solches Umgangsrecht hat z.B. gem. § 1686a BGB der leibliche, aber nicht rechtliche Vater. Dieses Umgangsrecht besteht nur, wenn der Vater (1.) ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat und (2.) der Umgang dem Kindeswohl dient (positive Kindeswohlprüfung). Die Beweislast für die Erfüllung dieser Voraussetzungen liegt beim leiblichen Vater. Das Familiengericht würde bei der Frage, ob der Umgang dem Kindeswohl dient, das Kind persönlich anhören. Wenn es erhebliche Konflikte zwischen den rechtlichen Eltern und dem leiblichen Vater gibt oder dieser das Erziehungsrecht der Eltern nicht respektiert, entspräche der Umgang mit dem leiblichen Vater nicht dem Kindeswohl und würde ausscheiden. Wenn aber die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind, ist der Umgang mit dem leiblichen Vater zu befürworten. Ein endgültiger Verzicht des leiblichen Vaters auf Umgang widerspräche den Interessen des Kindes.

Ein von den Eckpunkten geplantes neues Recht des Kindes auf Umgang mit seinem

leiblichen Elternteil wäre kein gleichwertiger Ersatz für das wegfallende Umgangsrecht des leiblichen Vaters, da es für das Kind faktisch schwierig sein wird, sein Umgangsrecht ohne Unterstützung der Eltern geltend zu machen.

6. Gemeinsames Sorgerecht von nicht mit der Mutter verheiratetem Vater bei gemeinsamem Wohnsitz

Nach den Eckpunkten soll für das gemeinsame Sorgerecht nicht-verheirateter Eltern nicht mehr erforderlich sein, dass beide Eltern jeweils in einer Sorgeerklärung den Willen erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen (§ 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB). Vielmehr soll es in Fällen des gemeinsamen Wohnsitzes ausreichen, dass der Vater (bzw. die Mit-Mutter) eine einseitige, beurkundete Erklärung abgibt, solange die Mutter nicht widerspricht.

Der Familienbund hält die geltende Regelung zum Erwerb des Sorgerechts (§ 1626a BGB) für eine angemessene Interessenabwägung (siehe oben III.1.) und spricht sich dafür aus, diese beizubehalten. Das gemeinsame Sorgerecht sollte voraussetzen, dass eine aktive Zustimmung der Mutter vorliegt. Ein Schweigen bzw. das Fehlen eines Widerspruchs der Mutter kann nicht als Einverständnis gewertet werden. Bei einem Schweigen der Mutter ist unklar, ob diese die einseitige Sorgeerklärung des anderen Elternteils überhaupt wahrgenommen hat. Wenn die Mutter nicht aktiv der gemeinsamen Sorge zustimmt, hat sie möglicherweise Gründe dafür. Zumindest liegt ein Indiz dafür vor, dass die gemeinsame Sorge möglicherweise nicht angemessen ist. In diesem Fall erscheint eine gerichtliche Befassung mit dem Anliegen der gemeinsamen elterlichen Sorge sachgerecht. Dadurch dass es im gerichtlichen Verfahren an der Mutter liegt, darzulegen (und ggf. zu beweisen), dass die gemeinsame Sorge nicht im Sinne des Kindeswohls ist, sind die Rechte des Vaters bzw. der Mit-Mutter hinreichend gewahrt.

7. Gesetzliche Regelung des Wechselmodells

Das Wechselmodell soll gesetzlich geregelt werden. Es soll klargestellt werden, dass sowohl ein symmetrisches (bzw. paritätisches) als auch ein asymmetrisches Wechselmodell (bzw. ein erweiterter Umgang) durch das Familiengericht angeordnet werden können. Die Anordnung eines Wechselmodells ist derzeit auf Grundlage eines Urteils des Bundesgerichtshofes möglich – ggf. auch gegen den Willen einer Partei.[31]

Wenn das Wechselmodell gesetzlich geregelt werden soll, ist es dem Familienbund wichtig, dass es nicht zum Leitbild der Betreuung nach Trennung wird. Denn es handelt sich um ein sehr voraussetzungsreiches Betreuungsmodell. Unter anderem muss eine hinreichende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern vorliegen, die Eltern dürfen nicht zu weit entfernt voneinander entfernt wohnen und auch die berufliche und finanzielle Situation der Eltern muss ein Wechselmodell zulassen. Liegen diese (und weitere) Voraussetzungen vor, kann es im Einzelfall das beste Modell sein. In vielen Fällen werden aber nicht alle Voraussetzungen für das Wechselmodell erfüllt sein. Die Anordnung eines Wechselmodells gegen den Willen eines Elternteils muss ein Ausnahmefall sein und darf nur den Fall betreffen, dass dieser Elternteil das Wechselmodell ohne nachvollziehbare Gründe ablehnt, obwohl es bei objektiver Betrachtung den Interessen der Eltern und des Kindes insgesamt am besten entspricht.

Für eine nähere Bewertung der geplanten gesetzlichen Regelung des Wechselmodell muss der Gesetzentwurf abgewartet werden.

8. Wechselmodell als Gegenstand der Beratung

Das Wechselmodell soll in Zukunft Gegenstand der Beratung in Fragen der Partnerschaft, Trennung und Scheidung (§ 17 SGB VIII) sein. Mit den Eltern soll erörtert werden, ob sie sich eine Betreuung im Wechselmodell vorstellen können.

Aus Sicht des Familienbundes sollten in der Beratung alle in Betracht kommenden Betreuungsmodelle mit den Eltern erörtert werden, um im Einzelfall die nach Abwägung der Interessen beste Lösung zu finden. Falls die Eckpunkte eine bevorzugte Erörterung des Wechselmodells intendieren sollten, wäre dies verfehlt. Das Wechselmodell kann im Einzelfall ein sehr gutes Modell sein. Als Leitmodell für getrennte Eltern ist es aber untauglich.

9. Alleinentscheidungsbefugnis in Angelegenheiten des täglichen Lebens

Bei getrenntlebenden Eltern mit gemeinsamem Sorgerecht soll künftig jeder Elternteil in Angelegenheiten des täglichen Lebens allein entscheiden können, solange sich das Kind bei ihm aufhält.

Der Familienbund hält diesen Reformvorschlag für sachgerecht. Bisher hat gem. § 1687 BGB nur der Elternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält die „Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens“. Der Elternteil, bei dem sich das Kind nur gelegentlich aufhält, hat nur eine herabgestufte „Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung“. Diese Differenzierung zu Lasten des Elternteils mit geringerem Betreuungsanteil ist nicht notwendig. Beim gemeinsamen Sorgerecht getrenntlebender Eltern ist es sachgerecht (und auch den Eltern leichter vermittelbar), wenn zukünftig nur noch zwischen zwei Arten von Entscheidungen unterschieden wird: Angelegenheiten, die für das Kind von erheblicher Bedeutung sind, sollten die Zustimmung beider Sorgeberechtigten erfordern. Angelegenheiten des täglichen Lebens sollten hingegen jeweils dort entschieden werden können, wo sich das Kind gerade aufhält.

10. Schutz vor häuslicher Gewalt bei Sorge und Umgang

Zum Schutz vor häuslicher Gewalt sehen die Eckpunkte mehrere Maßnahmen vor. Zum einen wird klargestellt, dass die Familiengerichte bei Anhaltspunkten für häusliche Gewalt umfassend ermitteln müssen. Zudem soll ein gemeinsames Sorgerecht bei Gewalt „regelmäßig nicht in Betracht kommen“. Schließlich soll der Umgang in Fällen einer konkreten Gefährdung des gewaltbetroffenen betreuenden Elternteils beschränkt oder ausgeschlossen werden.

Der Familienbund stimmt dem zu und plädiert für unmissverständliche Formulierungen im Gesetzentwurf: Bei Gewalt gegenüber dem Kind oder dem anderen Elternteil müssen ein gemeinsames Sorgerecht und ein Umgang mit dem Kind ausscheiden. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) muss bei häuslicher Gewalt in jedem Fall Vorrang vor dem Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 GG) haben.

11. Stärkung der Kinderrechte

Die Eckpunkte sehen verschiedene Vorschläge zur Stärkung der Kinderrechte vor.

Dass die Umgangsrechte von leiblichen, nicht-rechtlichen Elternteilen (§ 1686a BGB) sowie von Großeltern und Geschwistern (§ 1685 Abs. 1 BGB) eine spiegelbildliche Entsprechung durch gleichgerichtete Umgangsrechte des Kindes erhalten sollen, ist sinnvoll. Ebenso, dass das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung gesetzlich geregelt werden soll. Dass der Kindeswille (auch eines Kindes unter 14 Jahren) immer als ein wichtiges Kriterium zur Bestimmung des Kindeswohls zu berücksichtigen ist, sollte selbstverständlich sein. Es kann aber gerne noch einmal klargestellt werden.

Mit Blick auf die Bedeutung des Kindeswillens kann man auch Mitentscheidungsbefugnisse von Kindern über 14 Jahren im Sorge- und Umgangsrecht erwägen, solange neben dem mit zunehmendem Alter immer stärker zu gewichtenden Kindeswillen die Einbeziehung weiterer Kindeswohlkriterien grundsätzlich möglich bleibt. Hier wie hinsichtlich des Anliegens, das Kindeswohl gesetzlich klarer zu konturieren, muss aber der Gesetzentwurf abgewartet werden.

12. Umgangsrecht leiblicher Elternteile und Anwendung auf Adoption

Das Umgangsrecht des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters (§ 1686a BGB) soll geschlechtsneutral formuliert werden.

Dieser Vorschlag erscheint schlüssig, weil es im Rahmen einer Adoption dazu kommen kann, dass die leibliche Mutter nicht mehr rechtliche Mutter des Kindes ist.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass eine Freigabe des Kindes zur Adoption das Umgangsrecht des leiblichen Elternteils nur in dem Ausnahmefall ausschließt, dass darin gleichzeitig ein Verzicht auf das Umgangsrecht zu erblicken ist.[32] Eine gesetzliche Regelung dieser Rechtsprechung erscheint nicht zwingend notwendig, könnte aber als sinnvolle Klarstellung angesehen werden.

13. Weitere Änderungen und systematische Neufassung im Kindschaftsrecht

Die geplanten Umstrukturierungen, systematischen Änderungen, Konkretisierungen bei der Personensorge und sonstigen Anpassungen im Kindschaftsrecht werden bewertet, wenn konkrete Vorschläge vorliegen.

14. Änderungen im Adoptionsrecht

Das Bestehen einer Ehe soll künftig keine Voraussetzung mehr für die gemeinsame Adoption fremder minderjähriger Kinder sein. Auch Paare in eingetragenen Lebenspartnerschaften sowie unverheiratete Paare sollen künftig gemeinsam ein fremdes Kind adoptieren dürfen. Zudem sollen verheiratete Personen künftig auch allein ein Kind adoptieren können. Bisher kann ein Ehepaar ein Kind nur gemeinschaftlich adoptieren (§ 1741 Absatz 2 Satz 2 BGB).

Da eingetragene Lebenspartnerschaften sehr vergleichbar mit Ehen von zwei Personen gleichen Geschlechts sind (funktionales Äquivalent), ist es richtig, wenn künftig auch sie Kinder gemeinsam adoptieren können. Hinsichtlich der Adoptionsmöglichkeit von unverheirateten Paaren sollte differenziert werden. Ein genereller Ausschluss von unverheirateten Paaren von der Adoption ist nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Stiefkindadoption verfassungsrechtlich zweifelhaft. Dieses hat entschieden, dass „der Ausschluss der Stiefkindadoption allein in nichtehelichen Familien […] gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot [verstößt]“[33]. Allerdings hat das Gericht den Gleichheitsverstoß bei der Stiefkindadoption aus Sicht des in der Familien lebenden Kindes begründet und ausdrücklich die Frage offen gelassen, „ob die adoptionsrechtliche Benachteiligung nichtehelicher Lebensgemeinschaften gegenüber verheirateten Paaren trotz der Möglichkeit, die angestrebte Adoption nach Eheschließung zu realisieren, einen eigenständigen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG begründet.“ [34] Daher ist die verfassungsrechtliche Frage im Ergebnis offen.

Der Familienbund hält die gemeinsame Adoption durch nichteheliche Paare jedenfalls dann für vertretbar, wenn hinreichende Anforderungen an die Verfestigung der Lebensgemeinschaft gestellt und ein eheähnliches Zusammenleben vorausgesetzt wird. Zumindest die in § 1766a BGB für die Stiefkindadoption geregelten Voraussetzungen müssten für eine Adoption erfüllt sein, also mindestens vier Jahre eheähnliches Zusammenleben oder alternativ eheähnliches Zusammenleben mit einem gemeinschaftlichen Kind.

Der Vorschlag, dass verheiratete Personen künftig auch allein ein Kind adoptieren können sollen, erscheint nicht sachgerecht. Dem Bild der Ehe als Rechts-, Wirtschafts- und Lebensgemeinschaft entspricht es, dass die Ehepartner das Kind gemeinschaftlich annehmen. Das ist auch im Interesse des Kindes, das dadurch zwei Elternteile erhält. Wie wichtig es ist, dass das Kind zwei Elternteil hat, betonen die Eckpunkte an vielen Stellen. 


 


[1] Helms, Rechtliche, biologische und soziale Elternschaft – Herausforderungen durch neue Familienformen, Gutachten zum 71. Deutschen Juristentag (Essen 2016), S. 8.

[2] Helms, a.a.O., S. 9 m.w.N.

[3] Jestaedt, in: BMJV (Hg.), Abschlussbericht des Arbeitskreises Abstammungsrecht, S. 118.

[4] BMJV (Hg.), Abschlussbericht des Arbeitskreises Abstammungsrecht, S. 17; Helms, a.a.O., S. 8.

[5] Vgl. BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2014, Az. XII ZB 463/13, Rn. 54.

[6] Hahne, in: BMJV (Hg.), Abschlussbericht des Arbeitskreises Abstammungsrecht, S. 107.

[7] So auch Jox, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages am 18. März 2019, S. 6.

[8] BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 09. April 2003 - 1 BvR 1493/96 - Rn. 56.

[9] BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 09. April 2003 - 1 BvR 1493/96 - Rn. 68.

[10] BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 09. April 2003 - 1 BvR 1493/96 - Rn. 56.

[11] Vgl. Diskussionsteilentwurf des BMJV (12. März 2019), S. 2.

[12] BMJV (Hg.), Abschlussbericht des Arbeitskreises Abstammungsrecht, S. 75 f.

[13] Vgl. Diskussionsteilentwurf des BMJV vom 12. März 2019, S. 5 f.

[14] Entfällt bei der Mit-Mutterschaft, da es bei der gerichtlichen Feststellung um die genetische Abstammung geht.

[15] Als Ausnahme könnte der Fall erscheinen, dass die Co-Mutter der Geburtsmutter Eizellen gespendet hat. Das in Deutschland geltende Verbot der Eizellspende ist derzeit in der politischen Diskussion. Bei einer Eizellspende handelt es sich aber nicht um eine biologische Elternschaft in Bezug auf die zweite Elternstelle (Vater), sondern in Bezug auf die erste Elternstelle (Mutter). Daher wird teilweise davon gesprochen, die Eizellspende führe zu einer „gespaltenen Mutterschaft“ (zwischen der gebärenden und der genetischen Mutter).

[16] Beschluss vom 10. Oktober 2018 - XII ZB 231/18, Rn. 24 ff., insb. Rn. 28: „Dass die Ehefrau der Kindesmutter anders als ein Ehemann nicht allein aufgrund der bei Geburt bestehenden Ehe von Gesetzes wegen rechtlicher Elternteil des Kindes ist, stellt schließlich auch keine Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG dar. Vielmehr ist die Situation - wie bereits dargestellt - insoweit verschieden, als die Ehefrau nicht leiblicher Elternteil des Kindes sein kann, während der Gesetzgeber dies für den Ehemann als Regelfall vermutet und darauf die Vorschrift des § 1592 Nr. 1 BGB gründet. Dieser Unterschied rechtfertigt die im Rahmen des Abstammungsrechts nach wie vor bestehende abweichende Behandlung gleich- und verschiedengeschlechtlicher Ehepaare und deren Kinder.“

[17] BVerfG, BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 07. Mai 2013 - 2 BvR 909/06 -, Rn. 100.

[18] Vgl. Helms, Rechtliche, biologische und soziale Elternschaft – Herausforderungen durch neue Familienformen, Gutachten zum 71. Deutschen Juristentag (Essen 2016), S. 22 ff.

[19] Vgl. Stellungnahme des Familienbundes der Katholiken zum Diskussionsteilentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz „Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Abstammungsrechts“ (vom 12. März 2019).

[20] BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 09. April 2003 - 1 BvR 1493/96 – Leitsatz Nr. 1, vgl. http://www.bverfg.de/e/rs20030409_1bvr149396.html.

[21] BMJV, Arbeitskreis Abstammungsrecht, Abschlussbericht (2017), S. 76.

[22] Aber seit 2014 nicht mehr als Verstoß gegen den sog. „ordre public“ des Internationalen Privatrechts (IPR), so dass eine im Ausland durchgeführte und durch eine Gerichtsentscheidung bestätigte Leihmutterschaft in Deutschland anerkannt werden kann, wenn ein Elternteil mit dem Kind genetisch verwandt ist, vgl. BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2014, Az. XII ZB 463/13.

[23] Eckpunkte Abstammungsrecht (16.01.2024), S. 10.

[24] Eckpunkte Abstammungsrecht (16.01.2024), S. 10.

[25] Eckpunkte Abstammungsrecht (16.01.2024), S. 13.

[26] Eckpunkte Abstammungsrecht (16.01.2024), S. 12.

[27] Vgl. Eckpunkte Abstammungsrecht (16.01.2024), S. 12.

[28] BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 09. April 2003 - 1 BvR 1493/96 - Rn. 56.

[29] Vgl. Helms, Rechtliche, biologische und soziale Elternschaft – Herausforderungen durch neue Familienformen, Gutachten zum 71. Deutschen Juristentag (Essen 2016), S. 35.

[30] Eckpunkte Kindschaftsrecht (23. Januar 2024), S. 7 f.

[31] grundlegend: BGH, Beschluss vom 1. Februar 2017, XII ZB 601/15.

[32] BGH, Beschluss vom 16.06.2021 - XII ZB 58/20.

[33] BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 26. März 2019 - 1 BvR 673/17, Rn. 1 - 134.

[34] BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 26. März 2019 - 1 BvR 673/17, Rn. 129.

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